Die JVA Bielefeld-Senne nahm bereits am 1. Juni 1907 ihren Dienstbetrieb auf und ist mittlerweile gemessen an den Haftplätzen die größte Anstalt in Deutschland und die größte offene Anstalt Europas. Die Anstalt verfügt über 1.635 Haftplätze, davon 1.483 Haftplätze für männliche erwachsene Männer und 152 Haftplätze für weibliche erwachsene sowie jugendliche Frauen. Bei der Arbeit der Gefangenen liegt nahezu Vollbeschäftigung vor. Der Anstalt sind rund 400 Stellen für Bedienstete und Beschäftigte an 18 Standorten im ostwestfälischen Raum zugewiesen. Jährlich werden rund 4.000 Gefangene neu aufgenommen. Die durchschnittliche Belegung lag im Jahr 2018 bei 1.230 Gefangenen. Jährlich werden rund 20.000 vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt

Besonderheiten des offenen Vollzuges in Nordrhein-Westfalen

Der offene Vollzug hat in Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten eine hohe Bedeutung und ist eine der wichtigsten Behandlungsmaßnahmen. Mit der Öffnung nach außen bietet diese Vollzugsform ein wertvolles Trainingsfeld für ein Leben ohne Straftaten und gibt Gefangenen die Chance, aktiv an ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft mitzuwirken. Der offene Vollzug ist deshalb ein tragender Eckpfeiler der nordrhein-westfälischen Resozialisierungsbemühungen. Von den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen mit 17.547 Haftplätzen sind 14 Anstalten Einrichtungen des offenen Vollzuges oder verfügen über angeschlossene offene Abteilungen mit insgesamt 4.152 Haftplätzen. Dies entspricht einem Anteil von rund 24%.

Die Gefangenen gelangen auf drei unterschiedlichen Wegen in den offenen Vollzug der JVA Bielefeld-Senne:

Progression

  • Gefangene können nach einem individuellen Eignungsprüfverfahren von Anstalten des geschlossenen Vollzuges verlegt werden.

  • Einweisung („individuelle Klassifizierung") Gefangene können aufgrund einer individuellen Prüfung aus Gründen der Behandlung und Wiedereingliederung durch die JVA Hagen (Einweisungsanstalt) eingewiesen werden.

  • Vollstreckungsplan („formale Klassifizierung") Verurteilte, die sich bei Urteilsverkündung auf freiem Fuß befinden, werden von der Vollstreckungsbehörde grundsätzlich zum Strafantritt in eine Anstalt des offenen Vollzugs geladen (Ausnahme: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung).

Daneben gehört die JVA Bielefeld-Senne zu den sog. „Erprobungsanstalten". Infolgedessen können hier Gefangene untergebracht werden, die als geeignet für den offenen Vollzug angesehen werden, die aber wegen der von ihnen begangenen (gravierenden) Rechtsgutsverletzungen zunächst einer besonderen Beobachtung und Erprobung bedürfen.

Anstaltsstruktur und Organisation

Die Anstalt besteht aus

  • dem Hafthaus Senne (zugleich Sitz der Verwaltung) mit 131 Haftplätzen

  • dem Hafthaus Ummeln mit 361 Haftplätzen (309 für männliche und 52 für weibliche Inhaftierte und

  • 16 Außenstellen, die sich in den Kreisen Gütersloh, Paderborn und Warendorf befinden. Die Belegungsfähigkeit dieser Außenstellen bewegt sich zwischen 51 und 96 Haftplätzen.

 Die Stellensituation gliedert sich wie folgt: 

Höherer Vollzugs- und Verwaltungsdienst

5

Psychologischer Dienst

7

Ärztlicher Dienst

2

Seelsorgerischer Dienst (einschl. Gestellungsverträgen)

4

Gehobener Vollzugs- und Verwaltungsdienst

17

Sozialdienst

14

Allgemeiner Vollzugsdienst

302

davon im Werkdienst

16

Mittlerer Verwaltungsdienst

26,5

Arbeit und Beschäftigung der Gefangenen

Arbeit, Beschäftigung sowie die Integration der Gefangenen in den allgemeinen Arbeitsmarkt sind wesentlicher Bestandteil der Behandlung der Gefangenen und traditionell einer der Behandlungsschwerpunkte der JVA Bielefeld-Senne. Es gibt ein vielseitiges Arbeitsplatzangebot innerhalb und außerhalb der Hafthäuser und den 16 Außenstellen u.a. bei Unternehmerbetrieben sowie Arbeitsplätze unter ständiger Beaufsichtigung von Vollzugsbediensteten bis zum freien Beschäftigungsverhältnis. Die Anstalt arbeitet regelmäßig mit über 630 Firmen im Städteviereck Bielefeld-Münster-Hamm-Paderborn zusammen. Darüber hinaus erfolgt der Einsatz von Gefangenen in Eigenbetrieben der Anstalt oder arbeitstherapeutischen Maßnahmen. Es liegt nahezu Vollbeschäftigung vor. Innerhalb von wenigen Tagen wird den Gefangenen ein geeigneter Arbeitsplatz zugewiesen. Durchschnittlich werden täglich rund 1.100 Gefangene zur Arbeit eingesetzt. Davon über 600 Gefangene in Außenarbeit bei Unternehmerbetrieben und rund 150 Gefangene in einem freien Beschäftigungsverhältnis. Im Jahr 2018 erzielte die Anstalt ein Lohnaufkommen von 8,7 Mio.€, das entspricht in etwa einem Viertel des Gesamtlohnaufkommens aller 36 Anstalten in Nordrhein-Westfalen. Ergänzend dazu wird anstaltsweit das „Konzept zum Übergangsmanagement zur beruflichen Integration (im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative B5)" umgesetzt.

Rahmenrichtlinien der JVA Bielefeld-Senne für die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen

Vollzugsöffnende Maßnahmen werden nach Erstellung des Vollzugsplans, der einen Lockerungsplan enthält, gewährt. Es gibt eine mehrstufige Lockerungssystematik für den Begleitausgang über den Langzeitausgang bis zum Freigang. In der Regel verbleiben die Gefangenen mindestens vier Wochen in der jeweiligen Progressionsstufe. In allen Fällen erfolgt vor Gewährung der jeweiligen Progressionsstufe eine individuelle Eignungsprüfung.

Binnendifferenzierungskonzept der JVA Bielefeld-Senne

Im Hinblick auf den dezentralen Aufbau der Anstalt sowie unter Berücksichtigung der Vollstreckungszuständigkeit wurden strukturelle Rahmenbedingungen und ein effektives Binnendifferenzierungskonzept geschaffen, die eine wirksame Betreuungs- und Behandlungsarbeit ermöglichen. Die vollzuglichen Rahmenbedingungen, um Gefangene wieder erfolgreich in die Gesellschaft einzugliedern, sind im offenen Vollzug der JVA Bielefeld-Senne einmalig.

  • Hafthaus Ummeln - das zentrale und größte Hafthaus

Das Hafthaus Ummeln ist das vielseitigste Hafthaus der JVA Bielefeld-Senne. Neben der Zu- und Abgangsabteilung werden hier unterschiedliche Behandlungskonzepte umgesetzt.

Zentrale Zu- und Abgangsabteilung

In der JVA Bielefeld-Senne führen für die Gefangenen alle Wege über die Zu- und Abgangsabteilung im Hafthaus Ummeln. Im Rahmen des Zuweisungsverfahrens werden die Gefangenen von dort - unter Berücksichtigung von Behandlungs- und Wiedereingliederungsaspekten - in eine der Außenstellen oder in ein Hafthaus zugewiesen. Bei einem Widerruf der Eignung für den offenen Vollzug werden die Gefangenen von hier in die zuständige Anstalt des geschlossenen Vollzuges verlegt.

Integrationskonzept

Das Konzept der Landesregierung zur „Förderung der Integration der ausländischen Inhaftierten und zur Verbesserung der Sicherheit im Justizvollzug NRW" wird seit Oktober 2016 in der JVA Bielefeld-Senne u.a. durch ein interdisziplinär besetztes Integrationsteam umgesetzt. Wesentlicher Bestandteil der Integrationsarbeit ist das hiesige „Konzept zur Durchführung von schulischen Maßnahmen, Integrationsarbeit und Sprachunterricht im offenen Vollzug". Es wurden ein kontinuierliches Sprachangebot und ein Integrationstraining etabliert. Die betreffenden Gefangenen sind auf der sog . „Integrationsabteilung" im Hafthaus Ummeln untergebracht

Konzept zur Betreuung und Behandlung von Inhaftiertenmit langen Freiheitsstrafen im offenen Vollzug (Comeback - der Übergang in Freiheit)

Angesichts von Rückzugsprozessen und Prisonisierungseffekten bei jahrelangen Inhaftierungen wurde im Hafthaus Ummeln eine Abteilung eingerichtet, auf der das vorgenannte Konzept umgesetzt wird. Es werden entsprechende Resozialisierungsangebote mit dem übergeordneten Ziel, der Erreichung der Entlassungsfähigkeit vorgehalten, wobei eine schrittweise begleitende und unterstützende Erprobung in möglichst realitätsnahen Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleistet werden soll. Insbesondere soll eine stabilisierende und haltgebende Entlassungssituation vorbereitet werden, damit der Übergang in Freiheit gelingt.

Konzept für den Frauenvollzug in der JVA Bielefeld-Senne

Im Hafthaus Ummeln sowie in den Außenstellen in Oelde und Steinhagen sind 152 Haftplätze für weibliche erwachsene und jugendliche Frauen unter Berücksichtigung des vorgenannten Konzepts für den Frauenvollzug eingerichtet. In Ummeln ist die Betreuung psychisch auffälliger und verhaltensauffälliger Frauen vorgesehen. Zudem steht die Arbeit mit suchtabhängigen Frauen im Vordergrund, insbesondere bei bestehender Substitution. Daneben werden hier schwangere Frauen oder Mütter untergebracht, für die ggf. eine Unterbringung in der Mutter- Kind-Einrichtung in Fröndenberg in Betracht kommt. Darüber hinaus wurde ein Jugendhaus mit bis zu zehn Haftplätzen für jugendliche Frauen eingerichtet. Der Erziehungsauftrag des Jugendvollzuges wird praktiziert, neben internen und externen schulischen Maßnahmen ist u.a. eine berufliche Qualifizierung in der Lehrküche möglich.  

  • Hafthaus Senne - Konzept der Lebensälterenabteilung der JVA Bielefeld-Senne

Die JVA Bielefeld-Senne stellt sich dem demografischen Wandel und hat im Hafthaus Senne eine „Lebensälterenabteilung" mit 87 Haftplätzen konzeptionell eingerichtet. Die Ausgestaltung, Behandlung und Betreuung sind auf die Bedürfnisse lebensälterer Gefangener zugeschnitten. Die Gefangenen werden barrierefrei und altersgerecht untergebracht. Daneben werden altersspezifische Sport und Freizeitmöglichkeiten (z.B. Funktionsgymnastik, Ausflüge, Bienenzucht) zur Erhaltung der geistigen und körperlichen Mobilität angeboten. Die Gefangenen können sich auf dem 8,5 Hektar großen Gelände, auf dem sich u.a. ein Park, ein Wald und ein Kirchencafe befinden, weitgehend frei bewegen. Einer der Schwerpunkte der Abteilung ist die soziale Beratung bei speziellen Fragestellungen und Problemlagen der lebensälteren Gefangenen, wie z.B. Rentenbeantragung, Entlassungsvorbereitung, Unterbringung in einem Altersheim nach der Entlassung. Bei der Einrichtung der Abteilung wurde berücksichtigt, dass viele der über 60-Jährigen altersadäquat fit sind und daher im Haftalltag nicht ausschließlich zu anderen lebensälteren Gefangenen Kontakt haben wollen. Sie haben daher die Möglichkeit, die Freizeit mit jüngeren Gefangenen zu gestalten, die ebenfalls im Hafthaus Senne untergebracht sind und einer Arbeit in der Tischlerei, Schlosserei, Gärtnerei und in den übrigen eingerichteten Arbeitsstellen nachgehen (integratives Modell).  

  • Außenstellen Beckum und Boke - Konzept zur Beschäftigung im Rahmen eines freien Beschäftigungsverhältnisses

In den Außenstellen Beckum (Kreis Warendorf) und Boke (Kreis Paderborn) wird ein besonderes Augenmerk -insbesondere unter geographischen Gesichtspunkten- auf die Möglichkeit der Eingehung eines freien Beschäftigungsverhältnisses gelegt. Es wird bereits im Rahmen des Zugangsverfahrens geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung im Rahmen eines freien Beschäftigungsverhältnisses bei dem bisherigen Arbeitgeber möglich ist. Zudem können Gefangene auch nach einer bereits längeren Inhaftierungszeit und entsprechender Erprobung ein freies Beschäftigungsverhältnis eingehen.  

  • Außenstelle Brockhagen - Konzept zur Therapievermittlung von Inhaftierten mit einer stoffgebundenen Suchterkrankung (Therapie statt Strafe)

In der Außenstelle Brockhagen wird das „Konzept zur Therapievermittlung von Inhaftierten mit einer stoffgebundenen Suchterkrankung" umgesetzt. Hier werden vorrangig Gefangene untergebracht, die eine Therapievermittlung anstreben und welche die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung erfüllen. Die Gefangenen erhalten u.a. Unterstützung bei der Beantragung der Kostenübernahme sowie bei der Antragstellung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung. Die wesentlichen Aufgaben der Therapievermittlung werden schwerpunktmäßig von einem Suchtberater übernommen, der wöchentliche Sprechstunden anbietet. In der Außenstelle werden u.a. Rückfallprophylaxegruppen, Rückfallbearbeitung im Einzelsetting, AA-Gruppen und Arbeitseinsätze, die den Einschränkungen der Suchtkranken Rechnung tragen, angeboten.  

  • Außenstellen Clarholz und Verl - Konzept für die Arbeit mit jungen Strafgefangenen im Alter von 21 bis 26 Jahren (Jungtäterkonzept)

In der JVA Bielefeld-Senne sind regelmäßig rund 10% der Gesamtbelegung Gefangene zwischen 21 und 26 Jahren. Vor diesem Hintergrund sind in den Außenstellen Clarholz und Verl Abteilungen des Jungtätervollzuges, die den Anforderungen des Rahmenkonzepts für die Jungtäterabteilungen des Landes Nordrhein-Westfalen entsprechen, konzeptionell eingerichtet worden. Durch speziell auf die Altersgruppe zugeschnittene Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen (soziales Training, therapeutische Gesprächsreihe zur Tataufarbeitung, schulische Förderung in Zusammenarbeit mit einem Berufskolleg, Erprobungsmöglichkeiten im Rahmen von Außenarbeitseinsätzen, Bewerbungstraining, Vermittlung von IT-Kenntnissen, Erste-Hilfe-Kurs, Bienenzucht etc.) wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt, soziale Kompetenzen zu erwerben. Daneben werden sie motiviert, berufliche, schulische und therapeutische Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Vollzuges anzunehmen und durchzuhalten.  

  • Außenstelle Espeln - Konzept zur Behandlung von Gewalt in Beziehungen

In der Außenstelle Espeln wird das „Konzept zur Behandlung von Gewalt in Beziehungen" umgesetzt. Die Maßnahme richtet sich gezielt an Gefangene, die aktuell eine Freiheitsstrafe wegen häuslicher Gewalt verbüßen oder bei denen nach eigenen Angaben eine häusliche Gewaltproblematik vorliegt. Besonders im offenen Vollzug ist ein entsprechender Umgang mit Tätern häuslicher Gewalt unverzichtbar, da diese weiterhin Zugang zum Familiensystem haben und somit weiter Gewalt oder Druck ausüben könnten. In Zusammenarbeit mit einer Männerberatungsstelle aus dem Kreis Paderborn wird ein qualifiziertes und gezieltes Training gegen häusliche Gewalt angeboten.  

  • Außenstelle Gröblingen - Konzept „EGO" („Ich, einfach unverbesserlich?!") und Projekt „Manpower"

In der Außenstelle Gröblingen wird das Konzept „EGO" angeboten und das Projekt „Manpower" durchgeführt. In der Behandlungsmaßnahme „EGO" soll überwiegend an den dysfunktionalen Persönlichkeitsanteilen der Teilnehmer gearbeitet werden. Ziel ist, dass die Teilnehmer erkennen, an welchen Stellen es einen Veränderungsbedarf gibt, um zukünftig möglichst straffrei zu leben. Dafür sollen sie durch Reflektion des vergangenen und gegenwärtigen Selbstbildes ein Zukunftsbild entwickeln. Die damit verbundenen Veränderungen und Zielsetzungen sollen dabei kritisch hinterfragt und auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden. Die Maßnahme wird in einem Gruppensetting angeboten. Im Rahmen des eingerichteten Wiedereingliederungsprojekts „Manpower" kümmern sich Gefangene der Außenstelle Gröblingen in Zusammenarbeit mit der Stadt Sassenberg ehrenamtlich um die Pflege und Instandhaltung der Außenanlagen von Kindertagesstätten. Es handelt es um ein Projekt, das auf Initiative eines Gefangenen gestartet wurde. Es werden Hecken geschnitten, Bäume gestutzt, Beete erneuert, Spielgeräte abgeschliffen und wetterfest gestrichen, Dächer eingedeckt sowie Laub und Unkraut entfernt. Die Gefangenen sind in der Regel selbst vom Fach und außerhalb der Anstalt als Lackierer, Maler oder Dachdecker tätig. Dieses Projekt wird zwischenzeitlich auch in der Außenstelle Westkirchen durchgeführt. Die Ausweitung des Projekts auf weitere Außenstellen und Städte wird zurzeit geprüft.  

  • Außenstelle Herzebrock - Konzept zur Betreuung und Behandlung von Inhaftierten mit Spielsuchtproblematik im offenen Vollzug der Außenstelle Herzebrock

Im Oktober 2017 hat die JVA Bielefeld-Senne Neuland betreten und die Außenstelle Herzebrock mit dem Behandlungsschwerpunkt „Glücksspielsucht" pilotiert. Seit Juli 2018 ist das entsprechende Konzept zur Spielsucht im offenen Vollzug der Außenstelle Herzebrock Bestandteil der Binnendifferenzierung der Anstalt. Das Konzept ist mittlerweile fest in der Vollzugslandschaft des Landes Nordrhein-Westfalen etabliert. Es besteht eine enge Kooperation zu der Spielsuchtberatungsstelle des Kreises Gütersloh sowie zu einigen anderen Netzwerkpartnern in Ostwestfalen. In der Beratungsstelle des Kreises Gütersloh werden in Kooperation mit der Außenstelle von zwei im suchtspezifischen Bereich qualifizierten Fachkräften Einzelgespräche, der Entwurf eines Behandlungsplans, die Teilnahme an der wöchentlich stattfindenden Behandlungsgruppe sowie die Vorbereitung auf eine stationäre Langzeittherapie angeboten.  

  • Außenstellen Nordhagen und Westkirchen – Konzept zur Verkürzung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen im offenen Vollzug (Schwitzen und weniger Sitzen)

In Anbetracht der in der Regel recht überschaubaren Inhaftierungszeiten können Gefangene, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, nur eingeschränkt von anstaltsinternen Resozialisierungsmaßnahmen profitieren. Zudem dient der Zweck der Haftverbüßung nicht dem Schutzbedarf der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die Haftkosten für die Unterbringung, die mit der Vorhaltung von Haftplätzen und Personal verbunden ist, stehen oftmals in keinem Verhältnis zu der Höhe der verhängten Tagessätze. Vor diesem Hintergrund hat sich die JVA Bielefeld-Senne bei Ersatzfreiheitsstrafen zum Ziel gesetzt, diese Gefangenen möglichst zügig wieder in Freiheit zu entlassen und das Konzept zur Verkürzung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen im offenen Vollzug entwickelt. Dieses Konzept wird schwerpunktmäßig in den Außenstellen in Nordhagen und Westkirchen umgesetzt. Sofern eine Auslösung durch Angehörige oder eine Ratenzahlung nicht möglich sind, werden die Gefangenen nach dem Zugangsverfahren sofort zur entgeltlichen Arbeit zur Tilgung der Geldstrafe vom Arbeitsentgelt eingesetzt. Bedingt durch die kontinuierlich weit über dem Landesdurchschnitt liegende positive Beschäftigungslage und die traditionell gute kooperative Zusammenarbeit mit ortsansässigen Industrie- und Handwerksbetrieben kann motivierten Gefangenen ohne Wartezeiten eine Arbeit zugewiesen werden. Im Jahr 2019 wurden in der JVA Bielefeld-Senne mit der Zahlung von rund 500.000 € ca. 61.000 Tage Ersatzfreiheitsstrafe vermieden. Davon stammen rund 100.000 € aus dem hier erwirtschafteten Arbeitsentgelt. 

  • Außenstelle Steinhagen (Frauenvollzug) - Konzept Familiensensible Vollzugsgestaltung in NRW

Die Inhaftierung eines nahestehenden Menschen bedeutet für die Angehörigen regelmäßig eine große Belastung. Besonders minderjährige Kinder leiden unter der Inhaftierung eines Elternteils oft noch mehr als Erwachsene. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist es, die sozialen Kontaktmöglichkeiten von Kindern zu ihren inhaftierten Eltern weiter zu verbessern. Vor diesem Hintergrund hat das Ministerium der Justiz des Landes NRW das „Konzept Familiensensible Vollzugsgestaltung in NRW" entwickelt, welches insbesondere in der Außenstelle in Steinhagen umgesetzt wird. Die Schwerpunkte liegen auf einer familienfreundlichen Besuchsgestaltung sowie auf erweiterten Besuchsmöglichkeiten. So wird z.B. im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Schule und Besuch auf bedarfsgerechte Besuchszeiten für Kinder geachtet. Es wird kindgerecht kommuniziert und der Kinderspielbereich im Besuchsraum wurde kinderfreundlich gestaltet. Der soziale Empfangsraum spielt nach der Entlassung eine bedeutsame Rolle, weshalb - soweit förderungswürdig - bereits in der Haft auf eine Stabilisierung und Stärkung des Familienverbundes hingearbeitet wird (z.B. Mutter-Kind-Tage, gemeinsame Ausflüge). Zudem wurden die Behandlungs- und Betreuungsangebote auf das „System Familie" ausgerichtet. Es besteht eine enge Kooperation mit der Diakonie Bielefeld. 

  • Außenstelle Pavenstädt - Konzept der Schwerpunktaußenstelle für Sexualstraftäter und langstrafige Gefangene

Bereits seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten ist die Außenstelle Pavenstädt auf die Aufnahme von Sexualstraftätern und anderen langstrafigen Gefangenen mit einem erhöhten Behandlungsbedarf spezialisiert. Die Bediensteten der Außenstelle haben durch die langjährige Befassung mit diesen Gefangenen ein umfangreiches Erfahrungswissen gewonnen, das sie als interdisziplinär arbeitendes Team zur Umsetzung des gesetzlichen Behandlungsauftrages in die tägliche Arbeit einbringen. Das Konzept umfasst u.a. ein Angebot für ein modulares Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter, dessen Durchführung analog zu einer ambulanten Behandlungsmaßnahme umgesetzt wird. Grundlage der Behandlung ist das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS).  

  • Außenstellen Rietberg, Oelde (Frauenvollzug) und Westerwiehe - Konzept zur Substitutionsbehandlung und psychosozialen Betreuung von weiblichen und männlichen Inhaftierten im offenen Vollzug

In den drei Außenstellen wurden Behandlungsplätze für die substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger eingerichtet, um dem erhöhten Bedarf im Substitutionsbereich Rechnung tragen zu können. Die Voraussetzung für eine Unterbringung in den betreffenden Außenstellen ist für die im Behandlungskonzept aufgeführte Zielgruppe grundsätzlich gegeben, wenn im Zugangsverfaliren eine weitere methadongestützte Behandlung des Gefangenen durch den Anstaltsarzt für erforderlich erachtet wird, eine Eignungsfeststellung für den offenen Vollzug erfolgt und auch die Erprobung im Rahmen des Arbeitseinsatzes als erfolgversprechend eingeschätzt werden kann. Zudem können die substituierten Gefangenen einer Außenbeschäftigung bei einem ortsansässigen Handwerks- oder Industriebetrieb nachgehen und auch das Ziel der Aufnahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses anstreben.  

  • Außenstelle Theenhausen - Konzept zur Integration von verhaltensauffälligen männlichen Inhaftierten mit besonderem Betreuungsbedarf

Der Umgang mit verhaltensauffälligen Gefangenen sowie deren Behandlung, Betreuung und Resozialisierung stellen eine große Herausforderung dar, der sich auch der offene Vollzug stellen muss. Vor diesem Hintergrund bietet die JVA Bielefeld-Senne in der Außenstelle Theenhausen ein besonderes Behandlungsangebot für verhaltensauffällige männliche Inhaftierte an. Um eine individuelle Behandlung und Betreuung der Gefangenen zu gewährleisten, arbeitet das Betreuungsteam eng mit verschiedenen Netzwerkpartnern zusammen (Familienangehörige, Ärzte, Beratungsgruppen, Selbsthilfestellen, Betreuungseinrichtungen, gesetzliche Betreuer, ambulante psychiatrische Haftnachsorgeambulanzen etc.). Im Haftalltag liegt der Fokus auf einem klar strukturierten und sinnvollen Tagesablauf. Die Gefangenen werden langsam und behutsam an eine regelmäßige Beschäftigung herangeführt (Reinigungsarbeiten in der Außenstelle, Pflege und Mitgestaltung der Außenanlagen der Außenstelle, Mitarbeit am Gemüsegarten). Ziel ist der Arbeitseinsatz in einem Unternehmerbetrieb außerhalb der Außenstelle. 

Fazit

Mit ihrem vielfältig aufgestellten Behandlungsprogramm leistet die JVA Bielefeld-Senne einen wesentlichen Beitrag zur Resozialisierung und Reintegration von Straffälligen in Nordrhein-Westfalen. Nach Ansicht der Autoren sollte jede*r Inhaftierte*r über den offenen Vollzug entlassen werden, denn nur in diesem Setting kann das spätere Leben in Freiheit schrittweise und realitätsnah erprobt werden.