Zeitungsartikel Haller Kreisblatt vom 25.04.2020 Hilferuf aus dem Frauengefängnis Quelle: Haller Kreisblatt vom 25.04.2020

Von Jonas Damme

Steinhagen. Nach unserem Bericht über die angespannte Situation in der JVA-Außenstelle an der Brockhagener Straße erreichte die Redaktion ein offener Brief, in dem sich einige der Insassinnen der Einrichtung an die JVA-Leitung, aber auch an die Öffentlichkeit wenden. Die Frauen bestätigen darin den HK-Bericht, schildern die Situation aber noch drastischer. Sie schreiben über „große Verzweiflung, Angst und Trauer", die sie dazu bewege, die Öffentlichkeit zu suchen.

Derzeit dürfen die Frauen – viele sind Mütter von minderjährigen Kindern – ihre Familie nicht sehen. Alle Besuche sind pauschal verboten. Eine Lockerung bei den Handytelefonaten soll die Folgen dieser Corona-Maßnahme dämpfen. Für die Anstaltsleitung haben die Frauen in ihrem fünfseitigen Brief durchaus Lob, sie danken dafür, dass grundsätzlich vieles „möglich gemacht wird, damit die Mutter-Kind-Bindung erhalten" bleibt. Derzeit könne davon aber kaum eine Rede sein. „Seit Corona steht das Leben still", so der Brief.

Nicht nur Besuche seien verboten, auch alle Einkäufe und anderen Ausgänge sind storniert, Hafturlaube abgesagt. Im Offenen Vollzug der JVA Bielefeld-Senne sind diese Dinge eigentlich fast selbstverständlich. Die Inhaftierten arbeiten außerhalb, gehen zum Teil einkaufen und können unter Umständen sogar Zeit bei ihrer Familie zu Hause verbringen. Normalerweise. Trotz aller Ablenkungsversuche sei die Stimmung in der Außenstelle mittlerweile gekippt. Auch die Mitarbeiter „merken, dass wir nicht mehr können", schreiben die Frauen. Von „leeren Gesichtern" ist die Rede. „Wir sind wirklich am Ende und verzweifelt."

Manche der Frauen seien „psychisch sehr angeschlagen"

Manche der Frauen seien „psychisch sehr angeschlagen", insgesamt seien die Einschränkungen „nicht mehr haltbar". Eine Kernfrage ist für die Frauen deshalb entscheidend: Wie viele Monate dürfen sie ihre Kinder nicht mehr sehen?

Auch die JVA-Leitung kann diese Frage nicht beantworten. Pressesprecher Frank Baucke betont auf Anfrage, er kenne die Sorgen, könne aber nichts machen. „Das ist die Erlasslage", so Baucke. Er könne nicht einmal sagen, wie lange die Sperre noch gelte. Alle Hafthäuser und Außenstellen seien vollständig abgeschottet. Einzig Handwerker, die unaufschiebbare Reparaturen durchführen müssten, und natürlich die Anwälte der Inhaftierten bekämen noch Zugang.

Der entsprechende Erlass stammt vom Justizministerium des Landes NRW. Dr. Marcus Strunk, Ministeriumssprecher für den Bereich Vollzug, kann ebenfalls keine Hoffnung machen. „Für die Betroffenen ist das zurzeit sicherlich hart", erläutert er. „Aber es ist der Situation angemessen." Er verweist darauf, dass Gefängnisse in einer besonderen Situation seien. „Der Schutz der Bewohner und der Gesellschaft steht im Vordergrund", so Strunk. „Wir sind eine sicherheitskritische Einrichtung." Grundsätzlich versuche man als „geschlossenes System hinterher zu laufen", um keinerlei Risiken einzugehen. „Zum richtigen Zeitpunkt werden wir darüber nachdenken."

Gespräche ohne Kontakt, zum Beispiel hinter Glasscheiben, wie sie nun sogar in Altenheimen ausprobiert werden sollen, sieht er nicht als Alternative. „Das ist so einfach gesagt, aber es geht um das gesamte Setting", so der Sprecher.

Tatsächlich ist es so, dass es sogar noch einige Inhaftierte im Offenen Vollzug gibt, die – wenn die Rahmenbedingungen passen – weiter arbeiten gehen. Eine Fehlgewichtung sieht Strunk dabei nicht.

Drei Insassen wurden im nordrhein-westfälischen Strafvollzug bisher positiv auf Covid-19 getestet. Keiner davon saß in einer der beiden großen Bielefelder JVAs ein.