Zeitungsartikel Die Glocke vom 30.03.2020 Haftanstalt auch im Krisenmodus Quelle: Die Glocke vom 30.03.2020

Roland (dan). Viele Menschen auf engem Raum. Für die einen ist es der Ort, wo sie leben, für die anderen der Arbeitsplatz. Was beispielsweise für ein Pflegeheim gilt, beschreibt auch die Situation in einem Gefängnis. Die Roländer Außenstelle der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne sieht sich in der Corona-Krise deshalb vor ungewöhnliche Herausforderungen gestellt. Und sie stößt an Grenzen, wenn es darum geht, alle klugen Ratschläge zu befolgen.

Zum Beispiel das Gebot der Stunde, ständig Abstand zu anderen Menschen zu halten: Das ist schwer in die Tat umzusetzen und noch schwerer zu kontrollieren, wenn die Gefangenen wie in Roland zu zweit oder dritt in einem Zimmer untergebracht sind, wie JVASprecher Frank Baucke sagt. „Die Männer leben hier ja wie in einer häuslichen Gemeinschaft.“ Außerdem gilt, dass die Außenstelle mit ihrem offenen Vollzug, wo ein ständiges Kommen und Gehen der Insassen herrscht, viel weniger gegen das Virus abgeschottet werden kann als eine geschlossene Einrichtung.

Das Roländer Gefängnis hat 87 Plätze und ist nach Angaben von Baucke gegenwärtig mit 82 Männern belegt. „Wir haben aktuell keine Corona-Verdachtsfälle und keine Erkrankten“, so der Stand vom Ende der Vorwoche.

Auch Justizvollzugsbeamte und Insassen könnten sich im Alltag nicht komplett aus dem Weg gehen, sagt der Sprecher. Den Mitarbeitern habe es die JVA in der Corona-Krise ermöglicht, sich bei einer ärztlich attestierten Vorerkrankung als Vorsichtsmaßnahme von der Arbeit freistellen zu lassen.

Die Männer, die in Roland einsitzen, sollen am Ende ihrer Haftstrafe wieder ins gesellschaftliche Leben und in die Arbeitswelt eingegliedert werden. Daran ändert sich grundsätzlich auch jetzt nichts. „Wer draußen arbeitet, macht das weiter“, sagt Baucke. Allerdings seien schon einige Gefangene von ihren Arbeitgebern nach Hause geschickt worden – eine Folge des zur Krisenbewältigung heruntergefahrenen Wirtschaftslebens.

Für alle Häftlinge wurden die Außenkontakte drastisch eingeschränkt. Besuch, Ausgang und Urlaub, das alles ist derzeit gestrichen. Raus kommen die Männer außer zur Arbeit und bei Arztbesuchen nur noch, wenn es um ihre Entlassungsvorbereitung geht. Als Beispiel nennt Baucke das Treffen mit einem Vermieter, um für die Zeit nach dem Gefängnis eine Wohnung zu finden.

Freistunde ausgeweitet und Handyverbot gelockert

Roland (dan). Aber auch Lockerungen gibt es für die Roländer Strafgefangenen, um die Folgen der Einschränkungen aufzufangen. So ist es ihnen gestattet, zeitweilig ihre Telefone zu nutzen, um etwa mit den Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Üblich ist ein totales Handyverbot im Haus. Die Freistunde, bei der die Insassen frische Luft schnappen können, wurde massiv ausgedehnt. „Außerdem sind wir dabei, Spiele und Kreuzworträtsel für die Freizeitgestaltung zu beschaffen“, sagt Baucke. Er gibt zu: Stress und Spannungen unter den Männern könnten angesichts der gegenwärtigen Bedingungen zunehmen. „Aber wir versuchen, aktiv gegenzusteuern. Und bis jetzt ist alles relativ ruhig.“

Ohne Ausgang können die Gefangenen derzeit nur zwei Mal im Monat beim Anstaltskaufmann ihre Besorgungen erledigen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass Justizmitarbeiter eine Sammelbestellung entgegennehmen und sich für die Häftlinge auf den Weg in die Geschäfte machen. Tabak steht dabei am häufigsten auf dem Einkaufszettel, verrät Baucke.

Einige Häftlinge aus Roland haben sich kürzlich öffentlich darüber beschwert, es mangele an Seife und Desinfektionsmitteln. Baucke widerspricht: „Jeder erhält Seife. Daran fehlt es nicht.“ Am Ein- und Ausgang bestehe zudem die Möglichkeit, ein Desinfektionsmittel zu benutzen. Im Haus selbst gibt es kein auf Alkohol basierendes Desinfektionsmittel, damit es nicht in die Hände von Gefangenen „mit Suchtproblematik“ gelangen kann, wie der JVA-Sprecher abschließend erläutert.