Zeitungsartikel Die Glocke vom 22.02.2020 Ein Lächeln der Kinder ist der Lohn für Strafgefangene Quelle: Die Glocke vom 22.02.2020

Von unserem Redaktionsmitglied BENEDIKT MIKETTA

Sassenberg (gl). Das Außengelände der Kita „Zauberland“ war kein Spieleparadies für die Kinder. Matschiger Boden, ein marodes Wasserspiel und ein großer Sandkasten luden nicht gerade zum Toben ein. Das hat sich geändert – dank der Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Gröblingen, ein Ableger der JVA Bielefeld-Sennestadt.

57 Verurteilte haben in den vergangenen 15 Monaten aus der eintönigen Gartenlandschaft eine Wohlfühloase gemacht. „Wir haben sehr viel geschafft“, sagt Volker C. (Name von der Redaktion geändert), selbst Häftling in der JVA Bielefeld und Initiator des Wiedereingliederungsprojekts „Manpower“, bei dem sich Inhaftierte aus dem offenen Vollzug ehrenamtlich um die Pflege und Instandhaltung der Kindertagesstätten kümmern.

„Unsere Idee wurde zunächst oft belächelt“, berichtet er. Und vor allem war die Skepsis groß. Auch bei der Stadt Sassenberg. „Die Menschen, die hier ehrenamtlich tätig sind, sind Strafgefangene im offenen Vollzug, und das hat ja auch seinen Grund. Gleichwohl haben wir das Angebot gern angenommen, das Projekt zugunsten unsere städtischen Kitas zu nutzen“, erklärt Bürgermeister Josef Uphoff. Das Vertrauen in das Projekt hat sich gelohnt.

Wo einst ein ungenutztes Stück Land war, ist ein Blumenbeet entstanden. Das Wasserspiel und ein kleines Häuschen wurden restauriert, durch den Garten schlängelt sich ein gepflasterter Weg, und ein frisch gestrichener Zaun rundet das Bild ab.

Sehr zur Freude von Kita-Leiterin Dorothee Borchers. „Ich muss diesen Menschen meinen Respekt zollen. Sie waren immer da, immer zuverlässig. Sie haben bei Wind und Wetter gearbeitet“, lobte sie das Engagement der Männer.

Dort, wo Arbeiten anfielen, rückten bis zu fünf Inhaftierte aus und machten sich ans Werk. Rasen säen, Steine schleppen und marode Holzlatten austauschen. „Jeder bringt sich so gut ein, wie er kann“, sagt Volker C.. „Aber es klappt. Die Inhaftierten fühlen sich wertgeschätzt. Die Resonanz ist gut.“

Kein Wunder also, dass die Straftäter sogar samstags in ihrer freien Zeit in der Kita arbeiteten. „Viele haben auf Freizeit mit den Familien verzichtet. Das muss man allen hoch anrechnen“, sagt Volker C.. Aber er und seine Mitstreiter wissen, wofür sie diese Arbeit machen. Auf einem Plakat steht ihr Motto geschrieben: „Jedes Lachen eines Kindes erhellt den Tag.“ Genau diese Wertschätzung erfahren die Männer von Erziehern, Kinder und auch Eltern. „Es ist wie im Zauberland.

“Zahlen & Fakten

Im Oktober 2018 wurde das Projekt begonnen. In rund 50 Einsätzen und 1546 Arbeitsstunden wurden 74 Tonnen Mutterboden verarbeitet, 63 Tonnen Sand eingebracht, 300 Quadratmeter Pflaster aufgenommen und neu verlegt. Hinzu kommen 2600 Quadratmeter Rollrasen, 210 Liter Farbe wurden aufgetragen und 18 Container Grünschnitt entsorgt. Radlader und Minibagger kamen unter fachmännischer Führung zum Einsatz. Die Materialkosten belaufen sich auf rund 80 000 Euro und kommen aus dem Kitaträger-Rettungspaket.

Win-win-Situation für Stadt und Inhaftierte

Sassenberg (bemi). NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) stattete der Kita Zauberland am Freitag einen Besuch ab, um sich über „Mapower“ zu informieren. Er lobte das Projekt (siehe Interview) genau wie Kerstin Höltkemeyer-Schwick, Leiterin der JVA Bielefeld-Sennestadt.

„Die Resozialisierung und Integration von Inhaftierten in die Gesellschaft ist ein sehr wichtiges Thema. Der offene Vollzug und Projekte wie ,Manpower’ machen das Freischwimmen möglich. Wir als Gesellschaft müssen unseren Beitrag leisten, dass die Resozialisierung funktioniert“, sagte Höltkemeyer-Schwick.

„Das Projekt ist eine Win-win-Situation für die Stadt und die Inhaftierten“, betonte Bürgermeister Josef Uphoff. Und Volker C. erklärte, dass es für die Insassen enorm wichtig sei, einen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu können. „Wenn man sonst nur in der JVA sitzt, beginnt man nachzudenken.“ Das Projekt wird bei den Inhaftierten immer beliebter. „Die Liste von Interessenten, die helfen wollen, wird immer länger.“ Leider müsse Volker C. manchen eine Absage erteilen. „Wir können halt nur eine begrenzte Anzahl an Männern einsetzen.“

Dirk Goriss von der JVA-Gröblingen berichtet, dass das Wachpersonal immer wieder mal überprüfe, ob auch alle Häftlinge dort sind, wo sie sein sollen. „Aber das klappt sehr gut“, lobt Goriss, der am Anfang ebenfalls Skepsis hatte. „Solche Ideen gibt es immer wieder mal. Oft werden solche Projekte aber nicht durchgezogen. In diesem Fall ist es komplett anders geworden. Ich hätte nie gedacht, dass mir dieses Projekt mal ans Herz wächst.“

Auch, weil sich die Strafgefangenen vorbildlich verhalten gegenüber Kindern, Eltern, Erziehern und auch Nachbarn. „Wenn wir mal die andere Seite der Hecke schneiden müssen, können wir bei den Nachbarn klingeln und fragen, ob wir mal eben in den Garten dürfen, um an die Hecke heranzukommen. Alles kein Problem“, berichtet Volker C. „Das ist nicht selbstverständlich, freut uns aber.“

Drei Fragen an …

Peter Biesenbach (CDU), NRW-Justizminister. „Die Glocke“: Herr Biesenbach, haben Sie solch ein Projekt schonmal erlebt? Biesenbach: Nein. Das ist wirklich einmalig, und das freut mich sehr. Es ist ein tolles Beispiel für Wiedereingliederung, denn das ist unsere Aufgabe. „Die Glocke“: Was macht „Manpower“ so besonders? Biesenbach: Ich erlebe hier eine sinnvolle Tätigkeit für Strafgefangene im offenen Vollzug. Sie opfern ihre wenigen freien Tage, um hier zu arbeiten. Es freut mich, dass sie Wertschätzung erfahren und das Projekt auch von den Einrichtungen, den Kindern, Eltern und auch den Nachbarn angenommen wird. „Die Glocke“: Was können Sie tun, um solche Projekte zu fördern? Biesenbach: Ich kann dafür werben. Ich werde bei der Justizministerkonferenz darüber berichten in der Hoffnung, dass diese Idee Nachahmer finden wird und es bundesweit aufgegriffen wird. Diese freiwillige Arbeit und das vorbildlich Verhalten aller ist eine schöne Botschaft. (bemi)

Zitate

„Man vergisst oft, welchen Zustand wir hier hatten. Bis zu diesem tollen Ergebnis war es ein langer und steiniger Weg. Wir empfinden Dankbarkeit für dieses Engagement.“ Dorothee Borchers, Leiterin der Kita Zauberland. „Die Geräte für die Arbeiten werden in Absprache mit der Stadt ausgeliehen. Das klappt einwandfrei.“ Volker C., Strafgefangener. „Wir haben alles von Grund auf neu gemacht. Einige haben dabei gelernt, zu pflastern. Es hat sich in all der Zeit niemand verletzt, obwohl wir unter anderem auch mit Kettensägen gearbeitet haben.“ Volker C., Strafgefangener.