Zeitungsartikel Westfalen-Blatt vom 30.08.2019 Irish Folk hinter Gefängnismauern Quelle: Die Glocke vom 30.08.2019

Von Kerstin Panhorst

Senne (WB). Die Girlanden aus grünen Kleeblättern und die ebenfalls aus Klee bestehende Tischdekoration lassen schon erahnen, welches Land dieses Mal bei »Kultur im Knast« im Mittelpunkt steht. Die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne haben irisches Flair auf das Gelände gezaubert und begrüßen damit nicht nur die Künstler, sondern auch externe Besucher.

Bereits zum achten Mal luden die Veranstalter des Kulturkreises Senne gemeinsam mit der JVA und dem Verein für Gefangenenseelsorge zu einem Open-Air-Konzert hinter der Knastmauer, oder vielmehr dem Zaun, der den offenen Vollzug umgibt. Dort haben in den Vorjahren bereits die Bielefelder Philharmoniker, die Basement Boyz, Shantallica oder auch die Band Rock Addict und die Lohmann-Rhythm & Blues-Kapelle im vergangenen Sommer gespielt.

Die Reihe »Kultur im Knast« soll dabei nicht nur ein weiteres Freizeitangebot für die Insassen sein, sondern dabei helfen, bei Außenstehenden Vorurteile abzubauen und zudem Kultur an ungewöhnlichen Orten zu erleben. 250 kulturinteressierte Bürger und 100 Insassen des offenen Vollzugs freuten sich dieses Mal über gleich zwei folklastige Bands mit den Formationen »Tone Fish« und »In Search of a Rose«.

Zum Auftakt boten »Tone Fish« ihren selbst ernannten »Rat City Folk« – denn schließlich stammt das Quartett aus Hameln. Lieder über den bekannten Rattenfänger inklusive Flötenspiel gehören ebenso zum Repertoire wie klassische irisch-keltische Weisen, Mittelalterballaden über allzu explizites Liebesspiel, Coversongs von Amy MacDonald oder Eigenkompositionen über schelmische Warnungen vor der Ehe.

Schon seit 2014 stehen die Hamelner auf der Bühne und haben rund 300 Konzerte in ganz Deutschland gespielt. Auch in Senne sind Michaela Jeretkzy, Jan-Hendrik Martin, Jochen Siepmann und Stefan Gliwitzki keine Unbekannten mehr, seitdem sie im Februar bei Senne Live für Begeisterung sorgten. Und auch hinter den schwedischen Gardinen zündet die Mischung aus Irish Folk und rockigen Einflüssen so gut, dass die Insassen gemeinsam mit den Besuchern eine flotte Sohle aufs Parkett legten. »Ob hier drinnen oder draußen – am Ende sind wir alle nur Menschen«, gab Bandleader Stefan Gliwitzki passenderweise den Zuhörern mit auf den Weg, bevor die Band die Bühne räumen musste.

Denn auch die zweite Band des Abends, »In Search of a Rose«, hatte irische Töne und rockige Klänge im Gepäck. In »Horses for causes« besingt die 1992 in Lemgo gegründete Celtic-Rock-Band eigentlich einen Einsatz in Afghanistan – »aber es geht darum, weit weg von zu Hause zu sein, und das trifft vielleicht auch auf den einen oder anderen hier zu«. Ebl Mandingo, Maze Fitzbollick, Rudi Richman, Joanne O’Linn und MacGable vertrieben mit irischer Geige, kleinen Anleihen bei Punk und Ska sowie jeder Menge Rock‘n’Roll und Melodien aus Irland, Deutschland und Mexiko schnell jeden Anflug von Heimweh. Sie versetzten Besucher und Insassen dank ihrer schnellen Nummern gleichermaßen in gute Stimmung.