Zeitungsartikel Haller Kreisblatt vom 08.08.2019 Knast-Theater erzählt Geschichten, die das Leben schrieb Quelle: Haller Kreisblatt vom 08.08.2019

Von Anke Schneider

Steinhagen/Ummeln. Es sind Frauen mit einer nicht fehlerfreien Vergangenheit. Gefangene oder Häftlinge nennt man sie, der Volksmund sagt manchmal »Knastmuttis« zu ihnen. Sie sitzen ihre Strafen in der JVA-Außenstelle an der Brockhagener Straße ab. Es sind jedoch nicht nur Menschen, die straffällig geworden sind. Auf der Bühne standen an diesem Abend Frauen mit einer Geschichte, die durch so manches Tal führte. In einer kurzen Aufführung haben fünf dieser Frauen im Hafthaus Ummeln auf beeindruckende Weise gezeigt, was sie bewegt.

Zwölf Wochen haben die Frauen mit Nadine Friedrichs, Sozialarbeiterin und Tanzpädagogin, sowie Miriam Weinzierl, externe Theaterpädagogin, für den Auftritt im Knast geprobt. Angefangen hatte alles mit einem Aushang, der zu dem Projekt einlud. „Keine der Insassinnen hat Theatererfahrung", sagt Friedrichs. Dementsprechend aufgeregt waren die Darstellerinnen vor dem Auftritt. Und das – obwohl sich das Publikum rein aus Bediensteten der Haftanstalt zusammensetzte.

»Konstellationen« hieß das Thema, das die beiden Pädagoginnen vorgegeben hatten. Konstellationen, die das Leben durch seine Lebensumstände vorgibt, wie zum Beispiel die Familie, in die man hineingeboren wird. Aber auch solche, die man sich selbst zurechtzimmert. Wie die Familie, die man selbst gründet oder den Arbeitsplatz, den man wählt.

„Es ist ein biografisches Theaterstück", verriet Nadine Friedrichs vor der Aufführung. Will sagen, dass die Lebenserfahrungen der fünf Frauen die Grundlage für die gespielten Szenen waren. Das komplette Stück war demnach selbst geschrieben. Die verschiedenen Geschichten wurden an einem »roten Faden« aneinandergereiht, der durch eine knallige Stoffbahn plastisch dargestellt wurde.

Von Depressionen und der Flucht vor sich selbst

Die Angestellten der Haftanstalt verfolgten schließlich verschiedene Szenen aus dem Leben der Frauen, die diese mit erstaunlichen schauspielerischen Fähigkeiten darstellten. Da ging es um die nervenaufreibende Beziehung zu pubertierenden Jugendlichen, Streit in Beziehungen, Depressionen, um Flucht vor sich selbst oder auch um den Moment, in dem die Frauen ihrem Umfeld eingestehen mussten, dass sie ins Gefängnis gehen müssen.

Die Theaterszenen handelten aber auch von Bewältigungsstrategien, die von Raserei auf der Autobahn über Schreien und Weinen bis hin zur Isolation von der Welt reichten. „Wir sind nicht allein, auch wenn es sich oft so anfühlt", war eine Erkenntnis aus der Lebensgeschichte einer Frau. „Wir sind alle miteinander verbunden", eine andere. „Wir stehen gemeinsam in Konstellationen, die das Leben geschaffen hat. In die es uns hineingezwängt hat. Und es hat sich dafür nicht mal entschuldigt."

Am Ende gab es niemanden im Zuschauerraum, der nicht tief beeindruckt war von dem soeben Gesehenen und Gehörten. Die Frauen hatten trotz der kurzen Vorbereitungszeit eine unglaubliche Spielfreude und Ausdruckskraft an den Tag gelegt. Die Darbietungen wirkten wohl auch deshalb so authentisch, weil die Frauen nicht in fremde Rollen schlüpfen mussten, sondern ihren eigenen Körper als Medium für das, was sie zu sagen hatten, nutzen konnten.