Zeitungsartikel Haller Kreisblatt vom 12.01.2019 Altes Klientel, neue Droge Quelle: Haller Kreisblatt vom 12.01.2019

Von Jonas Damme

Steinhagen-Brockhagen. Smartphones und alkoholische Getränke sind verboten, Drogen sowieso. Zigaretten und Kaffee sind die einzigen Suchtmittel, die in der JVA-Außenstelle Brockhagen erlaubt sind. Wie in fast allen Häusern der Justizvollzugsanstalt Senne gibt es im Erdgeschoss sogar einen eigenen Zigarettenautomaten. Einen Flachbildfernseher hat auch fast jeder Insasse in seinem Ein-, Zwei- oder Drei-Bett-Zimmer. In Brockhagen landen im Normalfall keine Wirtschaftsverbrecher oder Mafiosi. Hier landen Menschen mit Problemen, vor allem Junkies. Wer in der Außenstelle einsitzt, weiß, wie sich Sucht anfühlt.

Mit Drogen kennt sich Jürgen Hanke deshalb aus. Das muss der stellvertretende Leiter der JVA-Außenstelle Brockhagen auch: Die Außenstelle an der Sandforther Straße ist auf die sogenannten »BTMer« spezialisiert, auf Männer, deren Verbrechen mit dem Konsum von Betäubungsmitteln in Zusammenhang steht.

„Wir hatten schon jemanden, der ist stumpf vor die Wand gelaufen"

86 Plätze bietet das zweistöckige weiße Gebäude. Und die werden gebraucht. „Wir sind fast komplett voll", sagt Hanke beim Vororttermin mit dem HK. Mehr als zwei Drittel der Insassen seien Ausländer oder hätten einen Migrationshintergrund. Schon seit Jahren sei die Außenstelle ausgelastet, auch wenn er selbst noch nicht lange dabei sei. „Betäubungsmittel sterben halt nicht aus."

Wer es in eine Zelle der Außenstelle geschafft hat, hat in den meisten Fällen eine Drogensucht hinter sich, die er irgendwann mit Einbrüchen, Diebstählen, Betrug, Raub oder Drogenhandel finanzieren musste. Auch Ersatzhaftstrafen von Männern, die Geldstrafen nicht zahlen konnten, werden hier abgesessen.

Die Palette der Drogen wechselt. Heroin zum Beispiel spiele gegenwärtig nur eine recht kleine Rolle. „Amphetamine verursachen uns große Probleme und seit einigen Jahren auch »Spice«", erklärt der stellvertretende Leiter stattdessen. Wer von der Droge »Spice« noch nie etwas gehört hat, befindet sich in guter Gesellschaft – das geht den meisten so. Dabei erfreut sie sich in entsprechenden Kreisen bereits großer Beliebtheit, mit krassen Folgen.

"Spice" ist die neue Droge

»Spice« bezeichnet eine Kräutermischung, die mit synthetischen Cannabinoiden – also chemisch hergestellten, psychoaktiven Substanzen – angereichert ist. „Man kann es sogar legal kaufen, weil die Gesetzgebung hinterher hinkt", erklärt Hanke. „Es sieht harmlos aus, ist aber wirklich Teufelszeug und geht voll auf das Gehirn. Die Leute bekommen oft sogar Psychosen."

Auch Frank Baucke, bei der offenen JVA Bielefeld-Senne für die Pressearbeit zuständig, stimmt zu. „Wir hatten schon jemanden, der ist stumpf vor die Wand gelaufen." Vor fünf Jahren seien erste Opfer vor allem im Jugendvollzug aufgetaucht, mittlerweile würden es immer mehr.

Die Drogenberatung ist in der Außenstelle natürlich ein existenzieller Teil der Arbeit. Auch Tests fänden regelmäßig statt, manchmal 20 an einem Tag, erläutert Jürgen Hanke. Immerhin sind fast alle Insassen Freigänger, die tagsüber einem Beruf nachgehen dürfen und müssen. Zur Resozialisierung. Dabei besteht das Risiko, dass jemand erneut Drogen nimmt oder Alkohol trinkt. Damit löst er allerdings ziemlich schnell seine Rückfahrkarte in den geschlossenen Vollzug.

Sauber zu sein und sich an die Regeln zu halten ist Grundvoraussetzung für einen Platz in Sandforth. Die Uniformierten stellen sicher, dass niemand aus der Reihe tanzt. „Natürlich sind wir JVA-Bedienstete, aber letzten Endes sind wir Betreuer. Eigentlich machen wir hier hauptberuflich gute Nachbarn", so Hanke.

Alltagsstrukturen zu schaffen, ist schwierig

Der Erfolg der Rückführung ins Leben hängt von einigen Faktoren ab. In der Außenstelle in erster Linie vom langfristigen Erfolg des Entzuges. Danach müssen Alltagsstrukturen geschaffen werden. Schon, dass jemand um 6 Uhr aufstehe, um zur Arbeit zu gehen – viele Inhaftierte der JVA werden an Gartenbaubetriebe oder Abbruchunternehmen vermittelt – sei manchmal schwierig. „Wenn jemand mit 14 Jahren das erste Mal konsumiert hat und zehn Jahre später verurteilt wird, kennt er kaum feste Strukturen", erklärt Frank Baucke. Entsprechend lernten manche BTMer erst in der Haft, wie ein normales Leben aussieht.

Wie die Haftzeit – die insgesamt Jahrzehnte, manchmal aber auch nur 30 Tage betragen könne – abläuft, definiert der »Vollzugsplan«, eine Art Zielvereinbarung, die mit jedem Häftling einzeln erarbeitet wird. Mehr als die Hälfte des Lohnes der Inhaftierten wird zurückgehalten, damit sie nach der Entlassung genug Geld haben für einen Start ins neue Leben.

Und die Rückfallquote? Rückfälle gibt es. Statistiken haben Hanke und Baucke nicht, aber so viel können sie sagen: „Wenn der Insasse durchhält, was wir geübt haben, klappt es."