Zeitungsartikel Neue Westfälische vom 07.02.2018 Viele Gefühle im Gefängnis Quelle: Neue Westfälische vom 07.02.2018


Senne (ckr). Die Tische stehen strahlenförmig um den Lesetisch herum, sie sind mit Servietten und Kerzen gedeckt. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass es sich um einen Raum in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Senne handelt, in dem es sich rund vierzig Besucher aus dem offenen Vollzug gemütlich machen und Elisabeth Pfister zuhören. Die Autorin aus Frankfurt liest drei der acht seltsamen, teils abgründigen, aber immer wahren Liebesgeschichten aus ihrem neuen Buch „Trotzdem Liebe“. JVA-Leiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick hatte sie bei einer Lesung ihres ersten Buches „Wenn Frauen Verbrecher lieben“ kennengelernt und eingeladen.

Da ist der Mann, der seine Frau ermordet hat, weil „zwischen sie kein Blatt passte“ – er traute ihr nicht zu, allein zurechtzukommen, wenn er sich durch Selbstmord aus seinen Schulden flüchtet. Nur schafft er es dann nicht, ein zweites Mal abzudrücken. Rosi, eine enge Freundin seiner Frau, krebskrank und unglücklich verheiratet, bricht den Kontakt jedoch nicht ab, sie schreiben sich, verlieben sich.

Ganz anders die Geschichte von der begabten Jurastudentin, der Atheistin, die plötzlich den Ruf von Gott in sich hört. Er wird immer stärker, doch sie wehrt sich, will nicht ins Kloster, der Preis für die Liebe zu Gott ist ihr zu groß. Dann gibt sie nach und wird Nonne. Die Geschichte von den beiden Menschen, die in ihrer Kindheit vergewaltigt wurden und Tierquälerei ertragen mussten, unterscheidet sich von den anderen, doch auch hier ist Liebe die treibende Kraft, lässt sie trotz aller Unterschiede und lebenslanger Haft des Mannes zusammenfinden.

Nach jeder Geschichte macht Elisabeth Pfister eine Pause, die Anwesenden kommen ins Gespräch. Was ist eigentlich Liebe, kann sie enden, war es dann überhaupt Liebe? Manche finden die Liebenden krank, andere sind der Ansicht, dass man nichts dafür kann, wen man liebt. Immer wieder versuchen die Anwesenden, das Gehörte mit dem Alltag im Gefängnis abzugleichen. Es wird viel gelacht und nachgedacht.

„Ich habe versucht, mich beim Schreiben jeder Wertung zu enthalten“, betont die 65-Jährige. „Wir kommen auch an unsere Abgründe, wenn wir lieben.“ Ihr zweites Werk war nach den Lesereise für das erste Buch entstanden. Zwei Häftlinge erzählten ihr ihre eigene Liebesgeschichte. „Ich wollte aber nicht noch ein ähnliches Buch schreiben, also habe ich den Rahmen weiter gefasst und dunkle Liebesgeschichten aller Art aufgenommen“, erzählt die freiberufliche Journalistin.