Zeitungsartikel Die Glocke vom 16.02.2017 8,7 Millionen Euro Einnahmen durch Häftlingsarbeit Quelle: Die Glocke vom 16.02.2017

Von unserem Redaktionsmitglied Ralf Ostermann

Bielefeld (gl). 33 Gefangene waren es 2016, die 24 Stunden nach ihrem Langzeitausgang nicht in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne zurückkehrten. 33 Vorkommnisse, die sich für Negativschlagzeilen eignen. Aber eben auch nur 33 von insgesamt 21 318 Fällen, in denen im vergangenen Jahr an der JVA im Rahmen des offenen Vollzugs Langzeitausgang gewährt wurde.

„Die Nichtrückkehrerquote liegt bei 0,2 Prozent“, machte Anstaltsleiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick gestern bei der Jahrespressekonferenz ihrer Einrichtung in Bielefeld-Ummeln deutlich. „Es läuft sehr gut. Und ein gewisses Risiko muss die Gesellschaft auch tragen.“

Höltkemeyer-Schwick ist eine Anstaltsleiterin, die ihre Aufgabe lebt und von dem Tun ihrer Behörde fest überzeugt ist. Gleich mehrfach betont sie am Mittwoch, dass sie den offenen Vollzug für das Nonplusultra hält, um Inhaftierte in die Gesellschaft wiedereinzugliedern. „Es gibt keine bessere Möglichkeit“, sagt die Frau, die seit eineinhalb Jahren der größten Anstalt des offenen Vollzugs in Europa vorsteht.

Entsprechend ist die Integration der Gefangenen in den allgemeinen Arbeitsmarkt ihr und ihrer Einrichtung ein besonderes Anliegen. Die JVA arbeitet zu diesem Zweck bereits seit Jahren mit mehr als 700 Firmen im Städteviereck Bielefeld-Münster-Hamm-Paderborn zusammen. Und die enge Kooperation zahlt sich aus: Bei einer Durchschnittsbelegung von 1340 Inhaftierten gehen fast 90 Prozent tagsüber im Vollerwerb arbeiten. Einen Großteil ihres Lohns liefern sie bei der JVA ab – die erzielt so jährlich Einnahmen in Höhe von 8,7 Millionen Euro. „Das entspricht einem Viertel des Gesamtlohnaufkommens aller 36 Anstalten in NRW“, sagt Höltkemeyer-Schwick nicht ohne Stolz.

Der Kontakt mit der Öffentlichkeit wird an der JVA groß geschrieben. Auch innerhalb der Gefängnismauern. So unterhält die Anstalt einen Gartenbetrieb, in dem etwa Gemüse und Zierpflanzen angebaut und verkauft werden. 56 Häftlinge haben dort 2016 an einer Berufsqualifizierung teilgenommen. Ihr bisheriger Einsatzbereich könnte bald der Vergangenheit angehören. Die unmittelbar benachbarte JVA Bielefeld-Brackwede (geschlossener Vollzug) plant auf dem Gartengelände eine Erweiterung. Ohne Weiteres will Höltkemeyer-Schwick aber nicht weichen. Sie pocht auf nahe gelegene Ausgleichsflächen für den gut laufenden Grünbetrieb.

Hintergrund

Die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne ist mit 1645 Haftplätzen – 1543 für männliche Gefangene, 102 Plätze für weibliche – die größte Anstalt des offenen Vollzugs in Deutschland und in Europa. Jährlich werden durchschnittlich 4000 Häftlinge neu aufgenommen. Unter ihnen sind auch Langzeit-Inhaftierte, die zuvor im geschlossenen Vollzug waren, und zum Ende ihrer Haftstrafe mit dem Ziel einer besseren Wiedereingliederung in den offenen Vollzug wechseln.

Zur JVA gehören das Hafthaus Senne mit 131 Haftplätzen und dem Sitz der Verwaltung, das Hafthaus Ummeln mit 362 Plätzen sowie 16 Außenstellen in den Kreisen Gütersloh, Paderborn und Warendorf. Diese Außenstellen halten je nach Kapazität 51 bis 96 Haftplätze vor.

Aktuell sind von den 1330 Häftlingen 889 (66,3 Prozent) im Inland geborene Deutsche, 190 (14,2 Prozent) im Ausland geborene Deutsche und 251 (18,7 Prozent) Ausländer. (osi)

Eigene Abteilung für ältere Gefangene

Bielefeld (osi).

Gemäß der Alterung der Gesellschaft hat es die JVA Bielefeld-Senne immer häufiger mit älteren Gefangenen zu tun. Für Häftlinge über 60 Jahre wurde daher eine altersgerechte Abteilung eingerichtet. Sie ist laut Anstaltsleiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick mit 87 Haftplätzen die größte Abteilung dieser Art im NRW-Strafvollzug. Geschulte Mitarbeiter vom Arzt über den Psychologen bis zum Sozialarbeiter kümmern sich um die besonderen Belange dieser Inhaftierten. Spezielle Behandlungsmaßnahmen und umfangreiche Freizeitangebote stehen zur Verfügung. Zudem haben die Häftlinge die Möglichkeit, einer ihren Fähigkeiten entsprechenden Beschäftigung nachzugehen.

In 72 Fällen Drogen gefunden

Bielefeld (osi).

Die Zahl hat es in sich: 1904 Gefangene, davon 87 Frauen, wurden im vergangenen Jahr beim Zugangsverfahren der JVA Bielefeld-Senne als „erheblich suchtgefährdet“ erfasst. Solche Häftlinge werden in der Drogenabteilung des Hafthauses Ummeln und der Außenstelle Brockhagen besonders betreut. Zudem besteht in der Außenstelle Rietberg ein Angebot zur Drogenersatztherapie mit zwölf Haftplätzen. 2016 wurden in der JVA bei Kontrollen in 72 Fällen eine Gesamtmenge von 109 Gramm verschiedener Rauschgifte sichergestellt. Diese Menge stellt laut dem Stellvertretenden Anstaltsleiter Rolf Bohl wohl nur „die Spitze des Eisbergs“ dar.