Zeitungsartikel Westfalenblatt vom 16.02.2017 Gefängnisse kommen sich in die Quere Quelle: Westfalen-Blatt vom 16.02.2017

Von Markus Poch

Ummeln (WB). Zwischen den beiden benachbarten Gefängnissen in Ummeln deutet sich ein räumlicher Interessenkonflikt an: Weil der geschlossene Vollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brackwede, Umlostraße 100, erweitert werden muss, fürchtet die JVA Senne, Anstalt des offenen Vollzuges, um einen Teil der unmittelbar dort angrenzenden Außenanlagen seines Ummelner Hafthauses an der Zinnstraße 33.

Ihre Besorgnis in diese Richtung äußerte Magdalena Falk, Vorsitzende des Gefangenenbeirats der JVA Senne, gestern im Rahmen der Bilanzvorstellung 2016. »Ich befürchte, dass unser Gartenbaubetrieb unter der Anbaumaßnahme leidet, denn genau dort, wo er jetzt ist, soll der geschlossene Vollzug nach Osten erweitert werden «, sagte sie. Dass der geschlossene Vollzug erweitert werden müsse, stehe außer Frage, aber doch nicht unbedingt in die Grünanlage der anderen JVA.

»Viele Häftlinge sehen die Gartenarbeit als ein Stück Freiheit an und als eine Chance, am Leben draußen teilzunehmen. Dieser Gartenbereich ist das Kernstück unserer Berufsqualifizierung«, kritisierte Magdalena Falk, die mit ihrem 13-köpfigen Team die Interessen der Insassen vertritt.

Tatsächlich betreibt die JVA Senne, wie berichtet, in ihrem Hafthaus Ummeln seit einigen Jahren einen kleinen Gartenbaubetrieb, in dem sich bis zu 20 Gefangene beider Geschlechter parallel beruflich weiterbilden können. 2016 wurde dieses Angebot von 56 Häftlingen wahrgenommen. Zu dem Betrieb gehört ein Geschäft, der so genannte Knastladen, in dem manch ein Anwohner aus Ummeln, Quelle und Steinhagen gerne und regelmäßig Blumen oder Obst und Gemüse aus Knastanbau kauft.

Ausgleichsflächen könnten dabei helfen, den bewährten Gartenbaubetrieb zu erhalten.

Diesen Arbeitsbereich hatte kein Geringerer als Uwe Nelle-Cornelsen, aktueller Leiter der benachbarten JVA des geschlossenen Vollzugs, ins Leben gerufen, als er noch Chef des offenen Vollzugs war. Nun geht von den Erweiterungsabsichten ausgerechnet seiner jetzigen Anstalt die Verunsicherung rund um die Grünanlage aus. Wenn diese gut angenommenen Strukturen zerfielen, »wäre das ein großer Verlust für unser Haus«, betont auch Kerstin Höltkemeyer-Schwick, Leiterin der JVA Senne. Sie werde sich dafür einsetzen, dass Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt würden, um den Gartenbaubetrieb in seiner Funktion zu erhalten.

Ihr Kollege Uwe Nelle-Cornelsen wollte sich gestern auf Anfrage noch nicht konkret zum Planungsstand des benötigten Anbaus äußern. Er verriet nur so viel: »Wir erweitern Richtung Osten auf das vorhandene Gelände des Landes NRW. Die Planung ist noch nicht abgeschlossen.« Weitere Details zum Bauvorhaben, das bis 2019 umgesetzt werden soll, will er heute mitteilen, wenn der geschlossene Vollzug seinerseits die Bilanz für 2016 präsentiert.

Bei Kerstin Höltkemeyer-Schwick im offenen Vollzug gibt es ansonsten keinen Grund zur Klage. Mit 1645 Haftplätzen ist die JVA Senne nach wie vor die größte Anstalt ihrer Art in Europa. 4172 Gefangene, davon 280 Frauen, wurden 2016 neu aufgenommen. Um sie zu betreuen und zu verwalten, sind 410 Bedienstete in den insgesamt 18 zugehörigen Hafthäusern tätig.

Die Nichtrückkehrerquote bei Häftlingen mit Langzeitausgang lag bei 0,2 Prozent, bei Häftlingen mit Kurzzeitausgang bei 0,1 Prozent, was Kerstin Höltkemeyer-Schwick als »sehr gering« einstuft – genau wie die Zahl von 78 Ausbrüchen (Entweichungen) auf das Jahr verteilt. Erfreulich sei erneut die Beschäftigungsquote von 87 Prozent: Täglich seien 1100 Gefangene in einer von gut 700 kooperierenden Firmen tätig. Das dadurch erzielte Lohnaufkommen lag bei 8,7 Millionen Euro.