Zeitungsartikel Haller Kreisblatt vom 05.09.2016 Zwei Minister im Knast Quelle: Haller Kreisblatt vom 05.09.2016

Jonas Damme

Steinhagen. Eigentlich sind die Schnittstellen der Ministerien von Christina Kampmann und Thomas Kutschaty eher gering. Dass es sie aber doch gibt, zeigte das Sommerfest der JVA-Außenstelle an der Brockhagener Straße. JVA-Chefin Kerstin Höltkemeyer-Schwick hatte den NRW-Justizminister und die NRW-Familienministerin eingeladen, um ihnen die innovativen Ansätze das Hauses näher zu bringen.

Offene Vollzugsanstalten für Frauen sind sehr selten. Weniger als sechs Prozent aller Gefängnisinsassen in Nordrhein-Westfalen sind Frauen. Ein Grund für die Minister sich die besondere Einrichtung auf dem Ströhn anzusehen. Das Familienfest zeugt davon,dass dort gegenwärtig mit vielen Mitteln versucht wird, die Insassinnen zu resozialisieren, beziehungsweise sie so wenig wie möglich aus den gewohnten Strukturen herauszureißen.

„Frauenvollzug ist anders", erklärte JVA-Bereichsleiterin Nuriye Massey. Einerseits seiene die Gründe, warum Frauen straffällig würden, andere. „Das hat oft soziale Gründe. Tatsächlich haben sich viele schlicht in den falschen Mann verliebt." So käme es tatsächlich recht häufig vor, das die Frauen angestiftet würden oder Strafen für Männer übernähmen. Die Delikte der gegenwärtig 46 Insassinnen wären hauptsächlich Diebstahl oder (Internet-)Betrug. Viele der Frauen hätten Familien. „Die Kinder wurden früher oft vergessen, dabei leiden sie am meisten", sagt Massey. Und das sei ein Hauptaugenmerk der Arbeit. „Wir arbeiten ganz stark daran, Familien näher zusammen zu bringen und besonders die Kinder mit einzubeziehen." So gäbe es Mutter-und-Kind-Tage, bei denen Familien zum Beispiel in den Tierpark fahren.

Insassen angeblich in Kur

Dort sei auch viel Aufklärungsarbeit gefragt. So gingen Frauen zwar meist offener mit ihrem Gefängnisaufenthalt um, als Männer, trotzdem komme es vor, dass Mütter aus Scham oder Angst vor Stigmatisierung andere Abwesenheitsgründe vorschöben, zum Beispiel eine längere Kur. Nach Ansicht der Mitarbeiter der JVA nicht der richtige Weg: Ehrlichkeit sei grundlegend.

Auch im Bildungsbereich sei man fortschrittlich. Mehr als 50 Prozent der Insassen haben nach Einschätzung von Höltkemeyer-Schwick keinen Schulabschluss. Umso wichtiger sei es, Zugang zu Schulen zu ermöglichen.

Zusammen mit der Diakonie bietet die JVA Bielefeld-Senne mittlerweile ein breitgefächertes pädagogisches Programm an. Es gibt Kurse, wie »Elterntraining« aber auch eine Mutterberatung. Außerdem gebe es viele ehrenamtliche aus der Umgebung, die den gefangenen Frauen den Alltag erleichtern. Über 90 Prozent der Frauen, die im offenen Vollzug einsitzen, arbeiten übrigens, beispielsweise in der Altenpflege, der Industrie oder auf dem Büro.

Die JVA-Leitung hatte die beiden Minister eingeladen, um ihnen ihre Arbeit vorzustellen, aber auch, um um Unterstützung zu werben. Kampmann und Kutschaty signalisierten früh, dass sie die Leistung der JVA schätzen würden. Kutschaty fasste es mit den Worten zusammen: „Das ist schon etwas Besonderes."