Zeitungsartikel Neue Westfälische vom 23.05.2015 Sünder sind willkommen Quelle: Neue Westfälische vom 23.05.2015

VON SIBYLLE KEMNA

Kreis Gütersloh/Ummeln. Die Pflanze auf seinem Tisch lässt nach dem Wochenende die Blätter hängen. Michael Waterböhr freut sich, dass sich nach dem Gießen die ersten Blätter wieder aufrichten. „Ich gebe den Dingen gerne eine Chance“, erklärt der evangelische Gefängnispfarrer im Hafthaus Ummeln der Justizvollzugsanstalt (JVA) Senne. Diese Hoffnung schenkt er auch den Menschen, die Hilfe bei ihm suchen. An diesem Samstag wird Waterböhr, knapp ein halbes Jahr nach Dienstantritt, feierlich in sein Amt eingeführt.

„Es gibt keinen Heiligen ohne Vergangenheit und keinen Sünder ohne Zukunft.“ Diese Lebensweisheit gefällt dem 51-Jährigen, der mehr als 21 Jahre lang Krankenhausseelsorger im Evangelischen Kirchenkreis Lübbecke mit Schwerpunkt in Rahden war. „So anders ist das hier gar nicht. Ob im Krankenhaus oder im Knast: Es geht immer um Menschen, die sich unfreiwillig in der Einrichtung aufhalten und in einer Lebenskrise stecken“, sagt Waterböhr. Mit Gefangenen hatte er auch im Kirchenkreis Lübbecke schon zu tun, als Seelsorger von suchtkranken Straftätern in der Maßregelvollzugsklinik Schloß Haldem des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. „Da ist der Schritt in die Gefängnisseelsorge nicht abwegig“, erklärt er. Trotzdem sei er erst mal „einigermaßen betroffen“ gewesen, als er die Nachricht bekam, dass seine Bewerbung Erfolg gehabt hatte. „Ich dachte, bewirb dich mal und warte ab, ob du zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wirst. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass die mich nehmen.“ Es sei ihm nicht leicht gefallen, die Arbeit im Rahden aufzugeben. Doch es war ein richtiger Schritt, davon ist er überzeugt. „Ich hatte Lust auf eine Veränderung.“

„Haben Sie mal Tabak?“ Ein Häftling steht in der Tür und sucht den Kontakt. „Nein, aber wenn Sie ein Gespräch suchen?“, bietet Waterböhr an. Und schon sitzt ihm der Gefangene gegenüber und erzählt dem Gefängnisgeistlichen sein Leben. Waterböhr hört aufmerksam zu und rät dem Hilfesuchenden am Schluss: „Treffen Sie Ihre Entscheidung erst, wenn Sie wieder einen klaren Kopf haben. Sonst werden Sie es bereuen.“

„Ich finde keine Lösung, sondern versuche, den Menschen einen Raum aufzuschließen, in dem sie sich bewegen und für sich eine Lösung finden können“, erklärt der verheiratete Pfarrer, der für seine neue Aufgabe in seine alte Heimatstadt Bielefeld umgezogen ist. „Die Gefangenen müssen lernen, dass die Tat Teil ihrer Persönlichkeit ist.“ Wenn es passt, erzählt er ihnen eine biblische Geschichte als Entscheidungshilfe. „Dadurch fühlt sich mancher gestärkt“, hat Waterböhr erfahren. „Religion kann helfen bei der Bearbeitung von Krisen und eine positive Kraft sein.“ Er ist als Gefängnisseelsorger auch für die Begleitung der Bediensteten zuständig, nicht nur für die Insassen. „Das ist genauso wichtig.“

Der neue Gefängnispfarrer raucht gerne Pfeife. „Um ins Gesprächmit den Häftlingen zu kommen, ist das gemeinsame Rauchen ein guter nknüpfungspunkt“, hat er in den ersten Wochen seiner Amtszeit gemerkt. Auch die Liebe zur Rockmusik hat ihm schon geholfen, Brücken zu bauen. „Ich spiele auch gerne selbst Gitarre, vielleicht ergibt sich da auch noch etwas hier im Haus“, sagt der Fan von Abenteuerbüchern.

„Sünder sind willkommen“, hängt neben der Tür zu seinem Arbeitszimmer. Dieses Schild hat er bei der Verabschiedung in Rahden bekommen. „Hier gibt es viel Schwarz-Weiß, richtig und falsch“, sagt der sympathische Geistliche nachdenklich. „Meine Perspektive ist eher bunt. Vieles ist möglich und jede Sache hat viele Schattierungen.“

INFO

Vier Gefangenenseelsorger

Neben Michael Waterböhr sind noch drei Seelsorger für die Gefangenen und Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Senne mit ihren beiden Hafthäusern in Senne und Ummeln sowie den 16 Außenstellen tätig.

Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Krisenintervention, Einzelgespräche, Gruppengespräche mit Angehörigen, Trauerbegleitung, die Gestaltung von Gottesdiensten und Freizeit, begleitete Ausgänge mit Inhaftierten und die Hilfe bei der Entlassung.

Die Amtseinführung von Pfarrer Michael Waterböhr ist am Samstag, 23. Mai, um 15 Uhr in der JVA Bielefeld-Senne, Hafthaus Ummeln. Mitwirkende sind Superintendent Frank Schneider (Kreis Gütersloh), Dekanin Uta Klose (JVA Bochum) und Pfarrer Stefan Thünemann (JVA (Herford). (kem)